· 

Think global, act local

 

 

Die Natur bietet die Lösung

 

Wir glauben fälschlicherweise, wenn wir ein bewachsenes Feld sehen, dass das Natur sei. Dass die Landwirtschaft doch kein Problem ist, immerhin wachsen doch dort Pflanzen – ist das nicht gut? Im Pfälzer Wald wachsen viele Bäume und die binden doch CO2? Toll oder? Naja…

Die meisten Landwirtschaftsflächen sind heute ziemlich leblose sterile Welten. Sie nutzen den Boden rein zum Festhalten der Pflanzen, die Nährstoffe werden künstlich hinzugegeben, es wird in großen Mengen bewässert, Schädlinge aller Art mittels Pestiziden bekämpft und die Böden werden mit schweren Maschinen verdichtet und permanent umgepflügt.
In vielen Städten ist die Artenvielfalt deshalb mittlerweile höher als auf dem Land – wo sollen die ganzen Insekten, Vögel, Säugetiere usw. denn auch Nahrung und Unterschlupf finden?
Von den Arbeitsbedingungen auf den Feldern und den miserablen Einkünfte kleinerer Landwirte ganz zu schweigen.

Wir reden über Dürren, steigende Temperaturen, Hungerkrisen, Überschwemmungen, Waldsterben, Energiepreisexplosion, Pandemien – die Liste ist ja fast endlos. Kann man da nur noch den Kopf in den Sand stecken? Und wo soll man anfangen?
Wir verzetteln uns in Diskussionen darüber, ob man noch fliegen darf, welche Autos man fahren sollte und wie das Dach richtig zu dämmen ist – alles berechtigte Fragen, aber der größte und einfachste Hebel zur Regeneration der Erde wird noch gar nicht berücksichtigt.

 

Die Natur bietet uns alle Lösungen zur Bekämpfung der Klimakrise. Dazu brauchen wir keine technischen Innovationen. Und es ist so simpel. Der Beweis wird schon überall weltweit angetreten, unter anderem bei mir im kleinen Maßstab am Bahnhof Königsbach – einem Ort mit ziemlich miserablen Ausgangsvoraussetzungen für Gemüseanbau.

 

Zerstörter, lebloser, unfruchtbarer Boden kann innerhalb von wenigen Jahren wieder regeneriert werden und gleichzeitig Kohlenstoff speichern. Dazu braucht es nur: eine vielfältige Bepflanzung (Bäume, Sträucher, Gemüse und die verrufenen Unkräuter), die Hinzugabe von organischem Material (Grünschnitt, Rasenschnitt, Stroh, Laub, Kompost, etc.), einen Starter mit zahlreichen Mikroorganismen (zum Beispiel durch Tiermist) – und dann einfach mal die Natur machen lassen.
Das Prinzip ist so einfach: die Bodenlebewesen brauchen was zum Futtern.
Klingt nicht so cool, wie eine CO2-Absaugmaschine mit neuestem Hyper-Antrieb zu erfinden. Aber es funktioniert und löst viele weitere Probleme mit einem Schlag.

Innerhalb nur eines Jahres hat sich die völlig leblose zugekaufte Erde in meinem Garten gewandelt, ist schon deutlich humusreicher, voller Regenwürmer, durchzogen von Pilzgeflechten und speichert spürbar mehr Wasser. Und das ist erst der Anfang: mit den Jahren wird der Boden durch diese Art der Bewirtschaftung ohne viel Zutun immer fruchtbarer und Schadstoffe können abgebaut werden.
Auf meiner kleinen Fläche kann ich schon nach nur etwas mehr als einem Jahr große Ernten erzielen und viele andere Menschen mitversorgen. Nach den Prinzipien der Permakultur arbeite ich mit minimalem Ressourceneinsatz und ohne große Fixkosten, dafür aber hocheffizient auf kleinster Fläche und wirtschafte dank Direktvertrieb ausschließlich in meine eigene Tasche.
Work smart, not hard.

Gleichzeitig hat sich die Artenvielfalt rasant erhöht. Jede Menge seltene Insekten, Vögel, Amphibien und Säugetiere finden inmitten der Monokulturen der Weinberge im Permakulturgarten Lebensraum. Auch die sogenannten Schädlinge halten sich im Rahmen – es gibt ja auch genug nützliche Gegenspieler, die das Gleichgewicht wahren.

 

Wird das Prinzip auf etwas größeren Flächen angewandt (ab ein paar hundert Hektar), lassen sich auch lokale Wasserkreisläufe wiederherstellen. Der Grundwasserspiegel steigt, Bäche führen wieder Wasser, Bäume und Hecken kühlen die Umgebung, verdunsten Wasser und erzeugen dadurch Regenwolken.

Funktioniert das weltweit? Ja, ich bin davon überzeugt.
80-90% der weltweiten Lebensmittel werden auch heute schon von Kleinbauern (< 2 Hektar Land) erzeugt. Mit Permakultur-Prinzipien kann die oft mühevolle Arbeit einfacher und gleichzeitig effizienter gestaltet werden und die Trennung zwischen Landwirtschaft und Naturflächen aufgehoben werden.
Viele glauben, dass Ernährungssicherheit nur durch industrielle Landwirtschaft garantiert ist – aber das stimmt einfach nicht. Diese erzeugt fast ausschließlich Tierfutter und Biodiesel und verbraucht dadurch riesige Flächen.
Die Auswirkungen: Trockenheit, Artensterben, Verseuchung des Grundwassers, Abholzung der Regenwälder, Zerstörung der Böden - und dadurch wird noch mehr CO2 in die Atmosphäre entlassen anstatt im Boden gespeichert.

 


Videotipp: Life in Syntropy

 

Eines der Videos, das mich am Meisten inspiriert hat, ist der 15-Minütige Beitrag über das Projekt von Ernst Grötsch in Brasilien. Er wurde 2021 bei der UN-Klimakonferenz in Glasgow gezeigt.
Ernst Grötsch hat vor vielen Jahren ein ca. 500 Hektar großes Stück zerstörten Regenwald erworben. Es war komplett abgeholzt, verdichtet und wurde als Rinderweide genutzt. Innerhalb von wenigen Jahren gelang es ihm, den Regenwald wieder aufzuforsten und gleichzeitig eine der besten Kakaoplantagen der Welt aufzubauen. Mit den Bäumen kamen auch die Tiere und der Regen zurück. Absolut faszinierend!

 

Zum Video: hier klicken
(Sprache und Untertitel wechselnd portugiesisch und englisch)

 


Think global, act local

 

Die Zukunft kann meiner Meinung nach nur dezentral sein. Stelle Dir ein Neustadt vor, das die Lebensmittel für den eigenen Bedarf zu einem großen Teil selbst anbaut. Ein grünes Neustadt, das eine hohe Lebensqualität bietet, wo man sich einfach an jeder Ecke einen Apfel pflücken kann, das im Sommer angenehm kühl ist, weil die Innenstädte und Fassaden begrünt sind. Wo es Gemeinschaftsgärten gibt, in denen Nachbarn gemeinsam Gemüse anbauen, nach Vorbild der Solawi. Wo es in den Weinbergen nur so brummt vor Leben und zwischen den Rebzeilen Gemüse wächst - das Weingut Frank John in Königsbach zeigt, dass das hervorragend funktioniert. Stellt Euch ein Neustadt vor, wo Obstwiesen gleichzeitig ein Refugium für Tiere sind wie bei Permapalz. Wo auf ehemals verwüsteten Brach- und Industrieflächen Permakulturgärten entstehen, die den Boden regenerieren – wie am Bahnhof Königsbach. Ein Neustadt, das vollständig erneuerbare Energien nutzt. Nicht aus großen Solarparks oder Windrädern im Pfälzer Wald, sondern dezentral, auf allen verfügbaren Dächern. Wo neue Konzepte für geteilte Büroflächen entstehen wie bei 1000 Satellites. Wo Mobilität und Lieferservice neu gedacht wird wie von Mobility on Demand.
Was wäre das für eine paradiesische Stadt – und warum soll das nicht möglich sein?

 

 

In Neustadt gibt es schon so viele tolle Leuchtturmprojekte (nicht nur die oben genannten), die sich dank Green Camp auch immer mehr vernetzen, zusammenarbeiten und gegenseitig inspirieren. Und hoffentlich auch multiplizieren. Wir brauchen so viel mehr davon. Nur so kann eine neue Zukunft entstehen.